Koreakrieg: Weltpolitische Zäsur

Koreakrieg: Weltpolitische Zäsur
Koreakrieg: Weltpolitische Zäsur
 
Bei den Präsidentschaftswahlen im November 1948 war Harry S. Truman allen negativen Prognosen zum Trotz im Amt bestätigt worden. Außenpolitisch vollzogen die USA in seiner Amtszeit eine geradezu revolutionäre Wende, indem sie den seit George Washington geltenden Grundsatz aufgaben, keine langfristig bindenden Verpflichtungen einzugehen. Die Schwäche der UNO und die instabile Lage in Europa ließen es jedoch geraten erscheinen, dass die USA — zusammen mit Kanada — dem Brüsseler Pakt beitraten, der dadurch 1949 zum Nordatlantikpakt (NATO) erweitert wurde. Der zunächst auf zwanzig Jahre geschlossene NATO-Vertrag sollte den Wiederaufbau Westeuropas gegen jede denkbare Bedrohung militärisch abschirmen und den Europäern Vertrauen in eine sichere Zukunft geben. Im Juli 1949 ratifizierte der Senat den Vertrag mit überwältigender Mehrheit, und beide Häuser des Kongresses billigten das Verteidigungsprogramm MDAP (Mutual Defense Assistance Program), in dessen Rahmen die neuen Verbündeten sofort 1,5 Milliarden Dollar Militärhilfe erhielten. Trotz dieser mutigen Entscheidungen breitete sich im Verlauf des Jahres in Regierung und Bevölkerung Krisenstimmung aus. Ende September lagen sichere Hinweise vor, dass die Sowjetunion eine eigene Atombombe getestet hatte: Damit büßten die USA nicht nur das Monopol über diese Vernichtungswaffe ein, sondern auch das Gefühl der militärischen Unbesiegbarkeit. Wenig später setzten sich im chinesischen Bürgerkrieg endgültig die Kommunisten unter Mao Zedong gegen die von den USA unterstützten Kräfte durch und etablierten im bevölkerungsreichsten Land der Erde, in dem die Amerikaner einen großen Zukunftsmarkt gesehen hatten, die Volksrepublik China. Anfang 1950 schlossen Moskau und Peking einen Militär- und Wirtschaftshilfevertrag, der die USA mit einem mächtigen »kommunistischen Block« konfrontierte. Gesteigert wurde die Besorgnis noch durch eine Rezession im eigenen Land, die Pfundabwertung in Großbritannien und eine schwere Krise in Japan, wo die von dem amerikanischen Diplomaten GeorgeF. Kennan und dem Bankier Joseph Dodge empfohlenen Wirtschaftsreformen, der Dodgeplan von Dezember 1948, nicht zu greifen schienen. Anders als in Europa war der Wiederaufbau Japans in hohem Maße von Exportsteigerungen abhängig, die aber wegen der Kriege und Bürgerkriege in Asien und den Ländern des »pazifischen Randes« (pacific rim) nicht erzielt werden konnten. In dieser Situation beauftragte Präsident Truman einen Ausschuss des Nationalen Sicherheitsrats mit einer generellen Überprüfung der amerikanischen Außenpolitik. Am 7. April 1950 lag der Bericht, hauptsächlich verfasst vom neuen Außenminister DeanG. Acheson und dem Chef des Politischen Planungsstabs, Paul H. Nitze, als streng geheimes National Security Council Memorandum No. 68 (NSC-68) vor. Das Dokument enthielt die Warnung, dass in der Auseinandersetzung mit den neuen totalitären Mächten »die Zerstörung nicht nur der USA, sondern der Zivilisation selbst« auf dem Spiel stehe. Das Ziel müsse es sein, durch eine umfassende Stärkung des eigenen Landes und der Bündnispartner den kommunistischen »Drang zur Weltherrschaft« zu brechen und »eine fundamentale Änderung des sowjetischen Systems« zu bewirken. Das setze voraus, dass die NATO mit wirklicher militärischer Macht und überlegener Schlagkraft ausgestattet werde. Konkret empfahl NSC-68 eine massive konventionelle Aufrüstung und den Bau der Wasserstoffbombe, höhere Militär- und Wirtschaftshilfen an befreundete Staaten sowie die Unterminierung der kommunistischen Regime durch psychologische Kriegführung und Geheimoperationen.
 
Unter normalen Umständen wäre ein solch ehrgeiziges und teures Programm — die Schätzungen der Experten lagen zwischen 37 und 50 Milliarden Dollar pro Jahr — im amerikanischen Kongress kaum durchzusetzen gewesen. Truman ließ NSC-68 denn auch nach einer ersten Prüfung in der Schublade verschwinden. Acheson rechnete aber schon seit Ende 1949 mit dem Ausbruch eines internationalen Konflikts in Korea, Vietnam oder Taiwan, der den Amerikanern die Augen öffnen würde. Diese Vorhersage ging in Erfüllung, als nordkoreanische Truppen am 25. Juni 1950 den 38. Breitengrad — die nach der alliierten Besetzung im August 1945 zwischen der Sowjetunion und den USA vereinbarte Demarkationslinie — überschritten und in die Republik Korea (Süd-Korea) einfielen. Damit begann der Koreakrieg, der, wie Acheson später erklärte, das in NSC-68 vorgezeichnete Projekt vor dem Rotstift rettete.
 
 Korea zwischen Ost und West
 
Korea war seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf den Status einer japanischen Kolonie abgesunken und von Tokio wirtschaftlich ausgebeutet worden. Auf den Kriegskonferenzen von 1944/45 hatten die Alliierten dem Land, das von einer Exilregierung unter Syngman Rhee repräsentiert wurde, die Unabhängigkeit zugesichert. Nach dem Zusammenbruch Japans 1945 besetzten vereinbarungsgemäß sowjetische Truppen koreanisches Gebiet nördlich und amerikanische Streitkräfte südlich des 38. Breitengrads, der die vorläufige Demarkationslinie bildete. Während die USA in ihrer Besatzungszone eine Militärregierung einrichteten, nahmen die koreanischen Kommunisten, geführt von Kim Il Sung, unter sowjetischem Schutz im Norden eine Bodenreform und andere tief greifende gesellschaftliche Veränderungen in Angriff. Als sowjetisch-amerikanische Verhandlungen über eine gesamtkoreanische provisorische Regierung 1946 scheiterten, überwiesen die USA die Koreafrage an die Vereinten Nationen. Die UNO beraumte daraufhin freie Wahlen unter internationaler Aufsicht für ganz Korea an, die jedoch im Mai 1948 nur im Süden stattfinden konnten. Dort konstituierte sich im August 1948 die Republik Korea, an deren Spitze Präsident Syngman Rhee trat. Im Norden hielten die Kommunisten separate Wahlen anhand einer Einheitsliste ab und etablierten am 9. September die von Ministerpräsident Kim Il Sung geführte Demokratische Volksrepublik Korea. In der Folgezeit zogen sowohl die sowjetischen als auch die amerikanischen Besatzungstruppen ab, und die Demarkationslinie verfestigte sich zu einer politischen Grenze zwischen beiden Teilen Koreas. Dennoch blieb im Norden wie im Süden die Hoffnung auf einen einheitlichen Staat lebendig.
 
Während Syngman Rhee auf amerikanische Hilfe baute, bemühte sich Kim Il Sung um Unterstützung durch die Sowjetunion und China. Nach Konsultationen auf höchster Ebene, die erst kürzlich bekannt wurden, gaben ihm Stalin und Mao Zedong im Frühjahr 1950 »grünes Licht« für eine Invasion im Süden, die zur Wiedervereinigung Koreas führen sollte. Offenbar war Stalin sogar bereit, einen neuen Weltkrieg zu riskieren, weil er die militärische Überlegenheit des kommunistischen Lagers in dieser Phase für gesichert hielt. Vielleicht ging es ihm auch nur darum, die Eindämmungspolitik der Amerikaner auf die Probe zu stellen. In jedem Fall war der Überraschungsangriff des Nordens von Anfang an weit mehr als eine interne koreanische Angelegenheit, und die amerikanische Regierung zögerte nicht, die Herausforderung anzunehmen. Unmittelbar nachdem die ersten Berichte über den nordkoreanischen Vormarsch in Washington eingegangen waren, fasste Präsident Truman den Entschluss zur Intervention. Ohne den Kongress zu konsultieren, wandte er sich mit der Forderung an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Aggression zu verurteilen und rückgängig zu machen. Die Chancen für eine entsprechende Resolution standen gut, weil die Sowjetunion zu dieser Zeit den Sicherheitsrat boykottierte, um ihrem Verlangen nach Aufnahme der Volksrepublik China und gleichzeitigem Ausschluss Formosas (Taiwans) aus der UNO Nachdruck zu verleihen. Tatsächlich verurteilte der Sicherheitsrat die Volksrepublik Korea bereits am 25. Juni einstimmig als Aggressor und beschloss am 27. Juni erstmals die Entsendung einer UNO-Streitmacht. Auf dieser rechtlichen Grundlage wies Präsident Truman am selben Tag amerikanische Luft- und Seestreitkräfte an, den Südkoreanern zu Hilfe zu eilen. Der siebzigjährige General Douglas MacArthur, der als Sieger des Zweiten Weltkriegs und Militärgouverneur von Japan große Popularität erlangt hatte, wurde zum Oberbefehlshaber ernannt. Drei Tage später wurden amerikanische Soldaten auf koreanischem Boden in erste Kämpfe verwickelt: Der Koreakrieg war im Gange, ohne dass der Kongress den Präsidenten zu einer Kriegserklärung autorisiert hatte.
 
Die Einbeziehung der UNO
 
Die Ursachen für die Tatkraft und das entschlossene Handeln Trumans waren vielfältiger Art. Zunächst galt es zu verhindern, dass die rasch vorstoßenden nordkoreanischen Truppen den ganzen Süden überrollten und vollendete Tatsachen schufen. Darüber hinaus sah der Präsident den Angriff in einer globalen Perspektive und unter historischen Vorzeichen: Kurz nach Bekanntwerden der Invasion nannte er Süd-Korea »das Griechenland des Fernen Ostens«, wo sich entscheiden werde, ob die USA — wie im Jahr 1947 auf dem Balkan — die kommunistische Expansion aufhalten könnten oder nicht. Sollte Süd-Korea verloren gehen, würden die Kommunisten als nächstes in Iran einmarschieren und den gesamten Nahen und Mittleren Osten zu erobern versuchen. Als historische Analogie schwebte ihm München 1938 vor, als die Demokratien versäumt hätten, Hitler Einhalt zu gebieten, und dadurch mitverantwortlich für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geworden seien. Weiterhin standen aber auch handfeste innen- und außenpolitische Interessen auf dem Spiel: Seinen vielen Kritikern im Kongress und in der Bevölkerung wollte Truman beweisen, dass er selbst und die Demokratische Partei nicht vor der »roten Gefahr« zurückwichen und dass sie es nicht zulassen würden, nach China ein weiteres Land »an den Kommunismus zu verlieren«. Durch Meinungsumfragen, die im Sommer 1950 eine überwältigende Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung zum militärischen Eingreifen in Korea signalisierten, sah der Präsident seinen Kurs bestätigt. Nach außen galt es, die Glaubwürdigkeit der USA als Führungsmacht gegenüber den Verbündeten und Freunden zu wahren, um die bereits geschlossenen oder beabsichtigten Allianzen nicht aufs Spiel zu setzen. Wirtschaftspolitisch und strategisch gehörte Süd-Korea zum pacific rim, der für japanische Exporte offen gehalten werden musste, wenn der ökonomische Wiederaufbau Japans und die Einbindung Asiens in die Weltwirtschaft gelingen sollte. Schließlich konnte ein Erfolg der UNO in Korea der Weltorganisation, die bis dahin die hoch gesteckten Erwartungen ihrer Gründer enttäuscht hatte, neuen Schwung verleihen und die Idee eines kollektiven Sicherheitssystems wieder beleben. Als der sowjetische Vertreter in den Sicherheitsrat zurückkehrte, ließ Truman die Aktion kurzerhand durch eine Resolution der Generalversammlung sanktionieren, in der die westlichen Länder noch über eine klare Mehrheit verfügten.
 
 Der Verlauf des Koreakriegs
 
Die Lage in Korea war zunächst von schweren Kämpfen und dramatischen Umschwüngen gekennzeichnet. Obwohl die westliche Intervention offiziell als eine »Polizeiaktion« der UNO deklariert wurde, stellten die USA fast die Hälfte der Kampftruppen und den größten Teil der Schiffe und Flugzeuge. Südkoreanische Truppen machten etwas mehr als 40 Prozent der UNO-Verbände aus, und die restlichen knapp 10 Prozent kamen aus weiteren 15 Mitgliedsstaaten, darunter Australien, Kanada und Großbritannien. Die nordkoreanische Offensive hatte aber bereits zum Fall von Seoul geführt und schien nicht zu stoppen zu sein: Bis September wurden die UNO-Truppen in den südöstlichsten Winkel der Halbinsel um die Stadt Pusan zurückgedrängt. Während dieser Brückenkopf mit Mühe gehalten werden konnte, landete MacArthur seine Truppen in einer brillianten amphibischen Operation am 15. September bei Inch'on nahe Seoul weit im Rücken der feindlichen Armeen. Um nicht vollends abgeschnitten zu werden, mussten die Nordkoreaner den Rückzug bis hinter die Demarkationslinie antreten. Innerhalb von zwei Wochen kontrollierten die UNO-Truppen Seoul und den größten Teil des Südens. Beeindruckt von diesem glänzenden Erfolg, gab Truman am 27.September MacArthurs Verlangen nach, den 38. Breitengrad zu überschreiten und mit den UNO-Verbänden weiter nach Norden vorzustoßen. In Washington legte man die UNO-Resolution vom Juni 1950 nun als Auftrag aus, Nord-Korea zu »befreien« und ein »vereinigtes, unabhängiges und demokratisches Korea« zu bilden. Dabei ignorierte die Regierung Truman mehrere Warnungen aus Peking, die besagten, dass China ein solches Vorgehen als Bedrohung seiner nationalen Sicherheit ansehen werde. Als sich die UNO-Truppen auf breiter Front dem Grenzfluss Yalu näherten, traten gewaltige chinesische Truppenverbände Ende November 1950 zu einer Offensive an. Anfang Januar 1951 überschritten die siegreichen Chinesen und Nordkoreaner die alte Demarkationslinie und marschierten wieder in Seoul ein. Die USA und ihre Verbündeten waren jedoch nicht gewillt, eine solche Demütigung hinzunehmen: Im März 1951 starteten sie einen Gegenangriff, der die UNO-Truppen erneut nach Seoul und bis zum 38. Breitengrad, der Ausgangsstellung vom Juni 1950, brachte.
 
Der Konflikt zwischen Truman und MacArthur
 
Präsident Truman und die meisten seiner Berater entschlossen sich aus innen- und außenpolitischen Gründen, auf einen Verhandlungsfrieden hinzuarbeiten, der die staatliche Integrität Süd-Koreas garantieren sollte. Den Hauptgegner sahen sie nach wie vor in der Sowjetunion, nicht in China, gegen das sie eigentlich gar nicht hatten kämpfen wollen. Wie Truman und Acheson, fürchteten das Pentagon und der Generalstab, dass die Sowjetunion eine jahrelange Verwicklung der USA in einen militärischen Konflikt in Asien dazu nutzen könnte, ihre Position in wichtigeren Regionen der Erde, vor allem in Europa und am Persischen Golf, weiter auszubauen.
 
Auf der Gegenseite stand der eigenwillige und arrogante UNO-Befehlshaber in Korea, General Douglas MacArthur, der seinem Präsidenten vor aller Öffentlichkeit den Fehdehandschuh hinwarf. Überzeugt davon, dass Amerikas Zukunft in Asien, nicht in Europa liege, wollte er sich mit einem »Patt« in Korea nicht zufrieden geben. Ungeachtet Trumans Anweisung, in Korea nur noch »die Linie zu halten«, verlangte er den Einsatz von Atombomben gegen Ziele in China und reiste nach Taiwan, um die Nationalchinesen für einen gemeinsamen Feldzug auf dem Festland zu gewinnen. In einem Brief an den Führer der Republikaner im Repräsentantenhaus, den dieser am 5. April 1951 in einer Plenartagung vorlas, griff MacArthur Trumans Politik scharf an: »Wir müssen gewinnen. Im Krieg gibt es keinen Ersatz für den Sieg.« Nun stand aus Sicht des Präsidenten weit mehr auf dem Spiel als die richtige Strategie in Korea, nämlich die verfassungsmäßige Kontrolle des Militärs durch die politische Führung. Am 11. April 1951 beschuldigte er MacArthur der Insubordination und entband ihn von seinen Kommandos in Korea und Japan. Der General gab aber noch keineswegs auf, sondern trug sein Anliegen vor das amerikanische Volk, dessen Begeisterung für das Koreaabenteuer inzwischen zwar verflogen war, das aber ebenso wenig Verständnis für Trumans verlustreiche und kostspielige Strategie des »begrenzten Krieges« aufbrachte. Dem heimkehrenden MacArthur wurden in San Francisco, Chicago und New York spektakuläre Empfänge bereitet, und in Washington durfte er eine flammende Rede vor dem Kongress halten. Bei einer Meinungsumfrage äußerten um diese Zeit 69 Prozent der Befragten mehr Sympathie für den charismatischen Soldaten MacArthur als für den nüchternen Politiker Truman. 1952 bemühte sich der General jedoch vergeblich um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, die an Eisenhower fiel, und danach verschwand er rasch von der Bildfläche.
 
Waffenstillstand und Zementierung der Teilung
 
MacArthurs Popularitätsverlust hing auch damit zusammen, dass Trumans Koreapolitik inzwischen erste Früchte trug. Nach dem Motto: »Wir versuchen einen Weltkrieg zu verhindern, nicht ihn zu beginnen«, hatte sich der Präsident seit dem Frühjahr 1951 um einen Waffenstillstand bemüht. Verhandlungen begannen im Juli 1951, aber sie zogen sich über zwei Jahre hin, in denen auf beiden Seiten noch viele Menschen starben. Erst als der Durchbruch in den umstrittenen Fragen des Kriegsgefangenenaustauschs und der exakten Grenzziehung gelang, konnte der Waffenstillstandsvertrag am 27. Juli 1953 in Panmunjom nahe der Demarkationslinie unterzeichnet werden. Das Abkommen bestimmte mit geringfügigen Änderungen den 38. Breitengrad als Grenze zwischen Nord-Korea und Süd-Korea, etablierte eine 4 km breite entmilitarisierte Zone beiderseits der Grenze und setzte eine Waffenstillstandskommission ein. Im Jahr darauf scheiterte der erste Anlauf zu einem endgültigen Friedensschluss, und in der Folgezeit verfestigte sich die Teilung Koreas immer mehr. Nord-Korea blieb fest mit der Sowjetunion verbündet, während Süd-Korea strategisch und wirtschaftlich in die amerikanische Interessensphäre im Pazifik integriert wurde. Investitionen aus den USA und Japan halfen, die Zerstörungen des Kriegs allmählich zu überwinden und eine leistungsfähige Industrie aufzubauen. Eine Demokratisierung des Landes unterblieb jedoch.
 
 Der Koreakrieg als weltpolitische Zäsur
 
In Amerika löste der Waffenstillstand wenig Freude aus, da von einem glänzenden Sieg wie zuvor im Zweiten Weltkrieg keine Rede sein konnte. Für eine »Polizeiaktion« und einen »begrenzten Krieg« wiederum erschienen die Verluste und die Kosten unangemessen hoch. Die USA hatten insgesamt etwa 54200 Tote zu beklagen — fast die Hälfte von ihnen war erst nach Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen gefallen —, und dazu wurden noch 103000 verwundete und 10000 vermisste oder gefangene Soldaten registriert. Entsprechend ihrem begrenzten personellen Engagement fielen die Verluste der anderen beteiligten UNO-Staaten niedriger aus. Die Zahl der getöteten südkoreanischen, nordkoreanischen und chinesischen Soldaten und die Opfer unter der Zivilbevölkerung können nur geschätzt werden, aber sie lagen sicher weit über einer Million. Finanziell wendeten die USA von 1950 bis 1953 insgesamt 54 Milliarden Dollar für die Kriegführung in Korea auf, eine beträchtliche Summe, wenn man bedenkt, dass die Gesamtkosten des Zweiten Weltkriegs 370 Milliarden Dollar betragen hatten.
 
Mit diesen Zahlen sind die Auswirkungen, die der Koreakrieg auf die USA und die Welt hatte, aber keineswegs erschöpfend beschrieben. In ökonomischer Hinsicht kam der Krieg einem großen Konjunkturprogramm gleich, denn die Vervierfachung der amerikanischen Rüstungsausgaben stimulierte die amerikanische Wirtschaft, und die Einberufungen senkten die Arbeitslosigkeit, womit der Auftakt zu der erstaunlichen Prosperität der Fünfzigerjahre gemacht war. Noch stärker fühlbar war der teilweise Übergang zur Kriegswirtschaft in Europa und Japan, deren Wiederaufbauprogramme — Marshallplan und Dodgeplan — nun starke zusätzliche Impulse durch amerikanische Aufträge erhielten. In einigen Ländern, darunter die Bundesrepublik Deutschland, löste der Krieg einen regelrechten Koreaboom aus.
 
Mit Blick auf die amerikanische Innenpolitik zeitigte der Koreakrieg, zum Teil direkt, zum Teil indirekt, positive und negative Folgen. Zu ersteren kann man die Tatsache zählen, dass erstmals schwarze und weiße Soldaten in integrierten Einheiten kämpften, nachdem Präsident Truman 1948 die Rassentrennung in den Streitkräften offiziell für beendet erklärt hatte. Der Erfolg dieses Experiments spielte eine wichtige Rolle bei den Anfängen der Bürgerrechtsbewegung. Verfassungsmäßig bedeutsam war die Bestätigung des Vorrangs der zivilen vor der militärischen Führung, um den es beim Konflikt zwischen Truman und MacArthur im Kern ging. Gleichzeitig steigerte Trumans eigenmächtige Entscheidung zur Intervention in Korea aber auch die außenpolitische Machtfülle der Exekutive, die sich in der Epoche der »imperialen Präsidentschaft« als sehr problematisch erweisen sollte. Schließlich entlud sich die Frustration, die viele patriotische Amerikaner angesichts der militärischen Schwierigkeiten in Korea empfanden, im McCarthyismus, der von Senator Joseph R. McCarthy angeführten Hetzjagd auf Kommunisten und angebliche Verschwörer im eigenen Land.
 
Beginn des Rüstungswettlaufs
 
Von entscheidender langfristiger Bedeutung waren aber die politisch-strategischen Konsequenzen des Kriegs. Im Lichte der nordkoreanischen Aggression erschienen die Analysen und Schlussfolgerungen von NSC-68 so überzeugend, dass Präsident Truman das Dokument, dessen Text natürlich streng geheim blieb, am 30. September 1950 billigte, und der Kongress keinen Widerstand gegen die geforderten Reformen leistete. Präsident, Regierung, Generalstab und Parlament begriffen das Geschehen in Korea als eine Bewährungsprobe für die Widerstandskraft der Demokratien, und sie gingen davon aus, dass ähnliche kommunistische »Tests« in anderen Teilen der Welt bevorstanden. Im Dezember 1950 unterrichteten die amerikanischen Stabschefs die Kommandeure amerikanischer Truppen weltweit über diese Gefahr und wiesen sie an, »ihre Bereitschaft zu erhöhen, ohne eine Atmosphäre der Beunruhigung zu schaffen«. Unter den Prämissen von NSC-68, das erst 1975 veröffentlicht wurde, erhöhten die USA ihre Truppenstärke von 1,5 auf 3,5 Millionen Mann und steigerten die Rüstungsausgaben zwischen 1950 und 1953 von 13 Milliarden auf etwa 50 Milliarden Dollar. Hatte der Verteidigungshaushalt zuvor ein Drittel des gesamten Bundesetats und 5 Prozent des Bruttosozialprodukts ausgemacht, so stiegen diese Werte nun auf zwei Drittel bzw. 13 Prozent. Inbegriffen waren die Kosten für die Entwicklung der Wasserstoffbombe, die im November 1952 erstmals getestet wurde, allerdings nur wenige Monate, bevor auch die Sowjetunion über eine solche Waffe verfügte. Der Koreakrieg trug also ganz wesentlich dazu bei, den Rüstungswettlauf der Supermächte in Gang zu setzen, der bis in die 1980er-Jahre anhielt.
 
Zur militärischen Absicherung der Eindämmungspolitik, die NSC-68 für unerlässlich erklärt hatte, gehörten auch die Erhöhung der Auslandshilfe um mehrere Milliarden Dollar sowie der Ausbau des globalen amerikanischen Stützpunkt- und Bündnissystems. Höchste Priorität erhielt die Stärkung der NATO. Insbesondere warb die Regierung Truman bei den Bündnispartnern um Verständnis für die Notwendigkeit eines deutschen Militärbeitrags, der im Rahmen der geplanten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft geleistet werden sollte. Damit stand, mit angestoßen durch den Koreakrieg, die heikle Frage der Wiederbewaffnung Westdeutschlands auf der politischen Tagesordnung. In Asien traten die USA dem Pazifikpakt mit Australien und Neuseeland (ANZUS) bei, schlossen Militär- und Beistandsverträge mit Japan, Süd-Korea und Taiwan und förderten die Zusammenarbeit der südostasiatischen Staaten im Rahmen der SEATO (South East Asia Treaty Organization). Das Außenministerium erklärte nun auch den Kolonialkrieg der Franzosen in Indochina zum Bestandteil des weltweiten Kampfs gegen die kommunistische Expansion, und 1954 trugen die USA bereits drei Viertel der finanziellen Kosten. Durch sein energisches Handeln hatte Präsident Truman die Südkoreaner vor einer kommunistischen Herrschaft bewahrt; zugleich lieferte ihm der nordkoreanische Angriff aber auch den Vorwand, ein gewaltiges Rüstungsprogramm zu verwirklichen und den Kalten Krieg zu verschärfen.
 
Prof. Dr. Jürgen Heideking
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Ost-West-Konflikt: Die politischen Konzepte der USA
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Kalter Krieg: Sozialistische contra liberale Ordnung
 
 
Kindermann, Gottfried-Karl: Der Aufstieg Koreas in der Weltpolitik. München 1994.

Universal-Lexikon. 2012.

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